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Dieser hatte nur einen Eingang. Eine matt glänzende Stahltür, die nun geöffnet wurde. Zwei Männer in den fragmentarischen Uniformen der Kyûshû-Rebellen, wie er sie schon zahlreich in der großen unterirdischen Lagerhalle gesehen hatte, trugen einen einfachen Tisch und einen alten Holzstuhl in die Raummitte. Dann zwangen sie ihn unsanft aufzustehen und sich an den Tisch zu setzen. Damit schien ihre Aufgabe aber auch schon erledigt zu sein und ohne ihren Gefangenen noch eines Blickes zu würdigen verließen sie den Raum, wobei die Tür offen blieb. Die alte Leuchtstoffröhre an der Decke strahlte in fahlem Blau nun den Schemen einer Gestalt an, die in den Türrahmen trat. Diese verharrte dort ein paar Sekunden und dann kam jemand in den Raum, der sich deutlich im Aussehen von den bisherigen "Kontrahenten" unterschied. Das auffälligste waren schon die weißsilbernen Haare, die schulterlang ein überaus blasses Gesicht umflossen, das schwer einem Geschlecht zuzuordnen war. Beides stand in Kontrast zu der schwarzen Kleidung. Dem langen Ledermantel. Der mit wenigen Taschen versehenen Kombination darunter. Bis hinunter zu den Schaftstiefeln. Auf der Gürtelschnalle vermochte er nur undeutlich in dunkelgrau die Schriftzeichen Kyû und Shû zu entziffern. Der Klang seiner Stimme schien die Person als Mann zu identifizieren, als er ihn mit "Guten Tag, Kyouta Kamikurata. Oder wie immer man sich im Moment zu nennen pflegt!" begrüßte. Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen vor dem Tisch stehend bleibend, schaute man ihn nun mit einem überlegenen Lächeln an. "Ich bin Subkommander Inari. Man hat mich gerade erst von Deiner geschätzten Anwesenheit unterrichtet. Also entschuldige bitte vielmals die hm...kleinen Unannehmlichkeiten bisher. Ich bin überzeugt man kann sich auch ganz vernünftig miteinander unterhalten, oder?" Als keine Antwort erfolgte, umrundete der Rebellenbefehlshaber halb den Tisch und blieb nun an der linken Seite seines "Gastes" stehen. "Du weist wer wir sind?" Mit müder Stimme und ohne seinem Gegenüber hinauf ins Gesicht zu schauen antwortete er: "Ja. Ihr seid diese separatistischen Träumer, die von Unabhängkeit schwafelnd jetzt wohl auch noch zu waffenstarrenden Terroristen geworden sind." Statt des zu erwartenden Fausthiebs von der Seite oder einer vergleichbaren Reaktion, erschallte ein helles amüsiertes Lachen neben ihm. "Sieh an, der große Datenbeschaffer ist also anscheinend doch nicht so tief in gewisse Regionen abgetaucht. Hat es dich nie interessiert warum es seit geraumer Zeit so scheinbar friedlich in der Welt zugeht, Kyouta?" Ärgerlich antwortete er: "Die Politik kann mir schon seit langem gestohlen bleiben. Was hat sich hinter den Fassaden schon groß getan, seit nur noch Vertreter der Multis in den Parlementen ein und aus gehen." Die schwarze Gestalt neben ihm wechselte langsamen Schrittes zu seiner anderen Seite. "So manches. So manches! Glaubst du wir sind wirklich da oben jetzt in eine heiße Schlacht gezogen? Und legen gerade das halbe Land in Schutt und Asche? Nein mein Freund. Das findet genauso unbemerkt von der Öffentlichkeit statt wie bisher. Dieser Krieg findet schon seit Jahren statt. Und soll ich dir etwas sagen. Wir sind dabei zu gewinnen! Wenn alles glatt geht wird in ein paar Wochen euer werter Regierungschef an sein Mikro tretten und der versammelten Presse mit schönen vernünftigen Worten die friedliche vernünftige Einleitung von Gesprächen mit unseren politischen Vertretern ankündigen, an deren Ende wir uns scheinbar ohne jegliches Blutvergießen einvernehmlich voneinander trennen werden." Einen mißtrauischen Blick von unten gelassen quittierend, wanderte der Rebellenführer gemütlichen Schrittes weiter um den Tisch und fuhr fort: "Was glaubst du denn wie alles in letztes Zeit so schön glatt ablief? Hm? Die Sibirienkrise, der Zentralafrikanische Minenkonflikt oder die scheinbar nur fortwährend palavernd ablaufende Kaschmirdebatte? Alle Beteiligten sind ganz gut im Kopfrechnen und soweit sie sowieso nicht irgendwelche Eigenkapitalanteile in diversen Primärzielen stecken haben, sitzen Leute hinter ihnen, bei denen das der Fall ist. Heute ist alles simulierbar mein Freund! Was mal mit Atomwaffentest und Klimarechenmodellen anfing hat nun seinen Höhepunkt in" seine Stimme geht in einen sarkastischen Tonfall über "Punkto Vernunft erreicht." Nun ist es die sitzende Person im Raum, die zu lachen beginnt. "Ihr wollt mir also wirklich weismachen, hier spielen sich ganze Kriege als verborgene Simulationen ab? Welcher Verlierer solcher Konflikte ist denn bereit sich an die Resultate zu halten, wenn es ihn so gar nichts kostet!" Mit ernsterem bleichen Gesicht, nun wieder dicht an seiner linken Seite, wird ihm langsam lauter werdend zugeraunt: "Jener Verlierer der fürchtet, in diesem Fall tatsächlich alles im Höllenfeuer moderner Waffen zu verlieren. Und was heißt schon nichts kostet? Das wäre freilich zu einfach. Wir spielen hier keine kindischen, mal in Mode gewesenen Lanparties. Wer in einen Combatsimulator steigt, alle Verbindungen herstellt und auf die Battleroute wechselt, weiß worauf er sich einläßt. Es empfiehlt sich dort genauso den Kopf einzuziehen und Treffer zu vermeiden wie draußen. Und wer auf einen Feind anlegt und abdrückt sollte sich im klaren darüber sein, nicht nur einen perfekt anzuschauenden Simava zu grillen, sondern das Gehirn von jemanden, der an anderer Stelle in genauso einem Ding wie man selber sitzt! Sogar simulierte Verletzungen sind nur in Maßen zu empfehlen, wenn man einen grad mal sparsam simulierten Feldsanitätsdienst in seinem Rücken weis. Die Kontrollrechner der Gegenseite schauen genau hin, ob man das Spiel..." Ein Rington aus der Montur unterbricht den Redefluß des Rebellenbefehlshabers. Ein Headphon ans Ohr führend, werden ein paar Worte mit einer Gegenstelle gewechselt. "Gut Kyouta! Die Pflicht ruft. Ich habe wahrscheinlich in ein paar Stunden wieder Zeit. Genug Zeit bis dahin für dich ein wenig nachzudenken. Auch über deine Kooperation!" Der simulierte Verhörraum, in dem das keineswegs simulierte Gespräch stattfand, verschlischt und alles wird wieder schwarz...
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